Kann man auf der bergigen Insel gut radeln? Die Straßen sind oft sehr steil, und entlang der Levadas muss man die Räder oft schieben, aber man entdeckt so Wege abseits der Touristenströme, und die Landschaft ist atemberaubend.
Zdenek hat Madeira ausgesucht. Okay, ich wusste nicht viel über die Insel, aber der Name ist sympathisch. Bevor wir die Flugtickets gekauft haben, haben wir niemanden gekannt, der dort war, und plötzlich kommt es von allen Seiten: ja, dort war ich schon, sehr schöne Insel, aber mit dem Fahrrad? Nein, sicher nicht!
Die Insel ist klein, nur etwa 50 x 30 km, aber sehr gegliedert und bergig, mit dem höchsten Gipfel von 1851 m. Klima ist mild das ganze Jahr über, die Vegetation üppig und Preise angemessen.
Zdenek wollte die ganze Woche am selben Ort bleiben, wie letztes Jahr auf Zypern. Das ist mir zu wenig abwechslungsreich, so buchen wir in der Flughafennähe nur die erste und letzte Nacht.
1.4., Machico – Sao Lourenco, 32 km, 920 HM
Der Landeplatz des Flughafens Funchal auf Madeira ragt fast vollständig ins Meer, an eine steile Felswand geklebt. Ein Taxi mit großem Kofferraum bringt uns zu dem nur 4 km entfernten Hotel Don Pedro in Machico. Die Fahrradboxen dürfen wir für die Woche in einer Kammer verstecken.
Am Nachmittag radeln wir zum östlichsten Punkt der Insel. Schon die Straße von Machico ins benachbarte Dorf führt über eine 20% Steigung zum hohen Felsen, dort geht es steil nach unten ins Canical. Schöne Marine, auf dem Rückweg ein vollständig mit Sonnenkollektoren beklebter Berg, auf seinem Scheitel ein Windräderwald. Siehe da, wie die Portugiesen fortschrittlich sind, wahrscheinlich dank der EU-Subventionen.
Die felsige Landzunge ist bis zum Parkplatz befahrbar, weiter steigt ein Fußpfad mit Stufen. Wir schleppen die Räder zu einer Aussicht und warten, bis niemand auf dem Stufen geht, damit wir sie herunterfahren können. Oben schöne senkrechte Klippen aus roter und schwarzer Lava, das blaue Meer schlägt gegen die Felsen. Nach lediglich 32 km haben wir fast 1.000 Hohenester gesammelt. Nach dem Abendessen überrede ich Zdenek zu einem Spaziergang entlang des schwarzen Lava-Strandes.
2.4., Machico – Santana, 46 km, 1510 HM
Unser Ziel ist die Insel gegen Uhrzeigersinn zu umrunden, mit ein paar Umwegen ins Landesinnere. So geht es zuerst nach Norden, wo es regnerischer und damit auch grüner ist.
Das Hotel steht am Fuße der Küstenfelsen, vor der Tür sind gerade fünf Meter eben, dann geht es gleich scharf zur Sache. 10 km steil nach oben, das sind für mich zwei Stunden. Ich darf nicht anhalten, weil ich dann nicht in der Lage bin auf dem Hang aufzusteigen. Oben im Dorf Santo Antonio wird es schon besser, dafür beginnt es zu nieseln.
Damit wir nicht nur auf der Straße fahren, wollen wir die Levadas befahren. Diese betonierten Bewässerungskanäle, meist 50 x 50 cm groß, dienen der Wasserversorgung auf der ganzen Insel und haben den Vorteil, dass sie ganz wenig Gefälle haben. Sie sind oft auch 50 km lang und auf der Insel soll es davon an die 2.000 km geben. Ideale Wege zum Wandern, obwohl einige in senkrechten Klippen geschlagen sind, stellenweise mit Geländer aus Draht, manchmal ohne. In der Regel für Räder nicht geeignet. Wir haben von Zuhause versucht, die ungeeigneten Levadas auszusortieren. Heute versuchen wir unser Glück auf der Levada do Faial. Von Santo Antonio geht es hinaus zur Schweinefarm, die sich schon aus der Ferne durch den unverwechselbaren Geruch meldet. Hier kreuzt unsere Levada die Straße.
Hier kann man die Räder noch schieben
Es beginnt vielversprechend. Die *Levada *schlängelt sich am Felsen entlang, daneben gibt es einen 1 m breiten befahrbaren Fußweg durch einen grünen Tunnel aus Bäumen und Sträuchern. Es ist ein bisschen neblig, ein bisschen nass, die Steine und Wurzeln auf dem Weg sind rutschig. Ich fahre unbekümmert hinter Zdenek her, plötzlich eine rutschige Wurzel, plumps, schon liege ich mit der Schulter im Wasser. Zum Glück hört Zdenek das Rumpeln und kommt zurück. Ich bin mit dem Rad so in der Rinne verkeilt, dass er mir helfen muss meine Füße aus den Speichen zu befreien. Natürlich lacht er lauthals. Ich schütte das Wasser aus den Ärmeln der Goretex-Jacke, leider landet es in meinen Schuhen, jetzt muss auch ich lachen. Außer dass ich nass bin ist mir nichts passiert.
Es geht durch einen Lorbeerwald, der angeblich 20 % der Inselfläche bedeckt. Schließlich bedeutet das Wort Madeira Holz. Es gibt Eiben, Zedern, die Felsen sind mossbewachsen, rundum viele Blumen. Wie in einem Wildpark. Auf einer Weggabelung kommt uns eine Touristengruppe entgegen. Da wollt ihr mit den Rädern durch?, fassen sie sich am Kopf. Sooo eng und sooo ausgesetzt, und als Geländer nur ein wackeliger Draht. Und einen Tunnel zum Durchkriechen gibt´s auch noch. Dieses 10 km Stück Levada umzugehen bedeutet aber einen Riesenumweg über Berge und Täler. Wir lassen uns nicht entmutigen, wird schon nicht so schlimm sein.
Hier nur noch tragen
Es beginnt schon nach wenigen Kurven. Die Levada läuft an einem senkrechten Felsen entlang, zum Rad schieben ist zwischen der Felswand und dem Drahtgeländer nicht mehr genug Platz. Man kann nur auf dem 10 cm breiten Betonrand laufen, das Rad auf dem Rücken. Dann kommt der Tunnel, ein Loch, durch das Wasser fließt, in der Hocke kann man durch. Wir schieben und zerren die Räder durchs Wasser, es sind zum Glück nur vier Meter. Weiter balancieren an nassen Steinen, Zdenek wird unruhig. Wenn es nicht bald aufhört, kehre ich um.-Was, wieder durch das Loch? Ohne zu wissen, was noch kommt, verspreche ich nach 10 Minuten Besserung. Wenn nicht, ist Zdenek bereit umzukehren. Nasser vertikaler Fels, soweit man sehen kann. Bald wird es aber tatsächlich besser und die Räder kann man wieder schieben. Von einer Rückkehr ist nicht mehr die Rede, wir haben definitiv die Hälfte hinter uns.
Die Levada überquert eine Straße am Ort namens Ribeiro Frio, kalter Bach. Es soll hier eine Forellenzuchtstation und ein Restaurant geben. Aber es sieht unwirtlich aus, eine schmale, dschungelbedeckte Schlucht, Wasser tropft aus der Vegetation, kein Restaurant ist zu sehen, und ein hässlicher Hund bellt uns an. Schnell alles anziehen, was wir haben, jetzt geht es 10 km hinunter zum Meer, Schatten, Feuchte, Fahrtwind, wir sind steif vor Kälte. Unten im Dort Faial kleben die Häuser an den Hängen, Zugang zum Meer nur durch einen Tobel. Dramatische Landschaft. Und dramatisch unser Aufstieg ins nächste Dorf. Hinter der Steinbrücke steigt die Straße steil nach oben, man sieht die zahlreichen Kehren über uns, die weiß angestrichenen Steinpfosten sehen wie Burgzinnen aus, sie lachen uns von oben aus. Es sind nur 4 km bis zum Ziel unserer Route heute, leider aber senkrecht nach oben. Zdenek schaltet seinen Oberschenkel-Turbo ein und verschwindet in den Serpentinen über mir. Wenn er mir endlich entgegenkommt, weiß ich, das Ziel ist nicht mehr weit. Santana. Ein sauberes Hotel mit schönem Fliesenboden. Wir versuchen, mit den dreckigen Rädern den Gang nicht zu versauen. Es ist Nebensaison, im Restaurant nur zwei weitere Paare.
3.4., Santana – Porto Moniz, 56 km, 1260 HM
Die Sonne begrüßt uns, unsere Klamotten sind über Nacht auf der Zentralheizung getrocknet. Zum Frühstück bringt uns die Wirtin grüne Früchte, die wir auslöffeln sollen. Anona, eine Madeira-Spezialität. Zdenek lässt mich wie immer Vorkosten, beobachtet genau meinen Gesichtsausdruck und wartet, ob ich nicht unter den Tisch falle. Erst dann probiert er es mit der Zungenspitze, überlässt mir aber doch lieber seine Frucht. Wer weiß, vielleicht wirkt das Gift erst später. Es ist dunkelgrün, hat Dellen in der Schale, entfernt kann es an einen Golfball erinnern. Und schmeckt fade, leicht nach Birne.
Santana ist das einzige Dorf auf der Insel, in dem die Überreste der ursprünglichen Behausungen erhalten geblieben sind. Es sind kleine weißgestrichenen Häuschen mit spitzen strohgedeckten Dächern. Heute dienen die meisten nur noch als Schuppen, nur wenige sind schön renoviert wie im Freilichtmuseum, mit rot und blau angemalten Fensterleibungen. Und Souvenirverkauf, also nur Touristenfallen.
Ursprünglich
Für Touristen aufgepeppt
Heute geht es in das nördlichste Dorf auf Madeira – Porto Moniz. Im Norden Madeiras wachsen Felsen direkt aus dem Meer, es gibt nur eine Straße, wir haben keine Variante, zum Glück gibt es fast keinen Verkehr. Die Küstenstraße ist eine landschaftlich reizvolle Route auf etwa 400 m Höhe, die wegen jedes kleinen Baches bis zum Meeresspiegel absinkt. Die engen Tobel sind aus schwarzen Lavafelsen. Hinter der Brücke dreht die Straße sofort nach oben der Sonne entgegen, bis auf den oberen Rand der Klippen. Es wiederholt sich dreimal, bis man in Sao Vicente ankommt. Hier mündet eine der wenigen Straßen, die von Süden über die Insel führt. Durch mehrere Tunnel, der Serpentinen beraubt, ermöglicht sie eine schnelle Nord-Süd Verbindung. Wird von den Touristen genutzt, die meistens in der Hauptstadt Funchal wohnen und hier Souvenirs einkaufen: handgestrickte Socken, typische farbige Mützen mit Ohrenklappen, Pullover aus grober hausgewebter Wolle und bestickte Tischdecken. Wir fotografieren, da springt ein eifriger Verkäufer zum Zdenek und schiebt ihm einen vollen Löffel Anona in den Mund. Zdenek ist so geschockt, dass er ohne ein Wort die Flucht ergreift. Und ich soll dem netten Verkäufer erklären, dass wir, danke, wirklich nichts kaufen wollen.
Auf der neuen Küstenstraße wechseln sich Tunnel mit Brücken ab, aber zum Glück kann man vor Sao Vicente auf die alte Straße abbiegen, die nur für Fußgänger bestimmt ist. Sie windet sich am Berghang und bietet einen schönen Blick auf die umliegenden Klippen und hinunter zum Meer. Ein paar zusätzliche Höhenmeter lassen sich aber nicht vermeiden. Vor jeder Abzweigung auf die alte Straße gibt es eine große mehrsprachige Tafel mit Warnungen vorm Steinschlag. Auf eigene Gefahr. Eine Kette verleitet der Warnung noch mehr Gewicht. Am Anfang der Estrada antiga liegen Steinbrocken groß wie Melonen. Dem wären unsere Fahrradhelme nicht gewachsen. Im Schlamm sieht man Fußabdrücke, sie wird also in Anspruch genommen. Die Felsbrocken konnte der nächtliche Regen auf dem Gewissen haben. Es gibt hier und da Wasserfälle, sie fallen aus großer Höhe und spritzen über die ganze Straßenbreite. Zdenek lässt sich fotografieren, wie er durch den Wasserfall radelt, wie ein Profischauspieler nimmt er die Dusche dreimal. Man kann auch in den Tunneln duschen, wo das Wasser ohne Hemmungen von der Decke niederprasselt.
Naturdusche
Begeistert von dem schönen verschollenen Weg stoßen wir auf ein Hindernis. Eine 2 m hohe Betonwand über die Straße, gelbe Tafel mit Danger. Das kann Zdenek nicht einschüchtern, schon klettert er mit dem Rad über die Absperrung. Ja, gut, geht, keine Steine auf dem Weg, meldet er von der anderen Seite. Also mein Rad hochlupfen, ich ziehe mich mit Mühe auch rüber. Hinter der Biegung ist die Straße aber mit einer mächtigen Murre verschüttet. Zurück, noch mal darf ich über die Betonwand klettern. Weiter stoßen wir auf eine abgerissene Brücke über einen tiefen Tobel, kein Durchkommen, da bleibt keine Alternative zur Hauptstraße.
Da geht nichts mehr!
Die spitze Klippe im Meer, das ist Porto Moniz. Ein paar Gassen, eine kleine Promenade. Im Hotel großes Zimmer mit einem noch größeren Balkon mit Liegestühlen, Sonnenschirm, Blick auf die 50 m entfernten Wellen, die Brandung kracht auf die Felsen. Die Atmosphäre eines Urlaubs am Meer haucht uns an. Statt eines Strandes gibt es Lagunen zwischen den Klippen, aber die sind heute wegen der hohen Wellen geschlossen. Schlendern auf der Promenade ist möglich, es ist warm und sonnig. Im Restaurant nur wenige Gäste, Fernseher ohne Ton flackert aus der Ecke. Fußball. In unserem Zimmer ist TV, so schaut Zdenek dort das Match zu Ende, auch ohne Ton, portugiesischer Kommentar ist sowieso nicht hilfreich. Ich lese derweil ein dünnes Buch von Stephen Hawking, dass ich die ganze Woche am Fahrrad mitschleppe.
Porto Moniz
4.4., Porto Moniz – Ponta do Pargo, 51 km, 1910 HM
Die heutige Herausforderung besteht darin, von dem nördlichsten Punkt der Insel zum westlichsten zu gelangen. Aber Vorsicht, nicht am kürzesten Weg, sondern durch das Landesinnere, d.h. über die Berge. Ich muss nicht betonen, dass die Straße steil bergauf geht, und zwar direkt von der Hoteltür weg. Kleine Dörfer und einzelne Häuser ducken sich am Hang, und die schmale Straße kriecht in Serpentinen in die Hügel. Viele Terrassenfelder, vorbildlich beackert, in exakten Reihen wachsen hier Kartoffeln und unterschiedliches Gemüse, dazwischen große Salbeisträucher. Die Straßengräben sind mit dichter Vegetation überwuchert, Hortensien und Lilien, zwei Meter hohe Kamelien in voller Blüte. So schön, wie es hier alles entlang der Straße frei wächst, wird mein Garten nie aussehen. Unbepflanzte streifen sind mit meterlangen Ranken von Kapuzinerkresse bewachsen, sie blüht in allen gelb-roten Tönen und hat Blätter groß wie Tischtennisschläger. Die nackten schwarzen Felsen, auf denen sich nichts anderes halten kann, sind mit Moos und üppige Hauswurz überzogen. Eigentlich sieht die ganze Insel wie ein riesiger botanischer Garten.
Steigung 1.500 m am Stück
Zdenek ist mir in seinem Bergauf-Modus weggedüst, so kann ich in aller Ruhe am Straßenrand die reifen Mispeln von den wild wachsenden Bäumen pflücken. Ich fühle mich wie im Garten Eden. Noch kann ich die Sonne genießen, die Gipfel über mir sind in Nebel gehüllt. Die Hoffnung, dass wir durch den Nebel radeln und oben die Sonne wartet, ist gering. In einer Höhe von ca. 1000 m beginnen Lorbeeren, Baumheide und verschiedene Weiden.
Zdenek kommt mir von oben entgegen und kontrolliert, ob ich noch lebe, dreht um und schon sehe ich nur sein Hinterrad. Also tauche ich alleine in den Nebel, der kalte Gegenwind beginnt. Ich trage eine wasserdichte Jacke, die Kapuze tief in die Stirn, der Helm sitz obendrauf. Sieht bestimmt bescheuert aus, aber es gibt hier niemanden, der es mir bestätigen könnte. Steile einsame Straße. Ich trete in die Pedale. Und ich trete weiter in die Pedale. Ich funktioniere. Ich soll mich nicht bemitleiden, nein! Ich führe Selbstgespräche: bist du hungrig – nein, hast du Durst? – nein, hast du Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Bauchschmerzen? – nein, nein, nein. Also, da kannst du dich nicht beklagen. Ein wenig Wind, ein wenig Feucht, ein wenig Nebel? Na und? Dass du die Ellenbogen vor Kälte nicht strecken kannst? Wozu brauchst du im Urlaub durchgestreckte Ellenbogen? Das ist nichts Schlimmes, also weitertreten!
Der Nebel verdichtet sich, und plötzlich tauchten zwei Silhouetten mit langen Hörnern vor mir auf. Bergkühe? Gerade kommt mich von oben wieder Zdenek kontrollieren, ob ich das Rad noch nicht in die Büsche geschmissen habe, da kann ich ein Bild von ihm machen: ein Radfahrer auf Safari. Zdenek bleibt bei mir, bald ist die Steigung flacher und wir gelangen auf das hügelige Hochplateau, es sieht hier wie in Schottland aus. Tief Luft holen, eben bin ich 1.400 m am Stück auf einer steilen Straße hochgeradelt. Im Süden scheint die Sonne, auf den Hügeln produzieren zahlreiche Windräder fleißig Strom, und bald kommen wir auf eine breitere Straße, die einzige, die von West nach Ost durch die Berge führt.
Auf Pico da Urze (= Heidehügel) trinken wir Cola mit dem Gefühl, dass die heutige Arbeit erledigt ist. Nur noch 15 km bergab, Zdenek hat im Google ein Pfad gefunden, hier sind wir endlich vor dem kalten Wind geschützt. Die Landschaft ändert sich sofort. Alle Hänge ringsum sind 2 m hoch mit wunderschön gelb blühendem Ginster bewachsen. Manche Stellen sind nach Waldbränden schwarz, das zarte Grün streckt sich aber schon aus der Asche der Sonne entgegen. Auf einem Hohlweg durch Pinienwälder zu den ersten Häusern von Ponta do Pargo, Kirche, Straße, ein paar Querstraßen. Aber wir sind immer noch etwa 200 m über dem Meeresspiegel, unter uns das Westkap mit einem Leuchtturm. Wenn ich diesen steilen Weg zu ihm nach unten sehe, habe ich keine Lust, da hinunterzufahren. Da müsste ich wieder hoch! Was, du willst nicht zum Leuchtturm radeln?, wundert sich Zdenek. Deshalb sind wir doch auf Madeira! Oh, davon hatte ich hatte keine Ahnung, aber wenn es so ist, und der Leuchtturm das Ziel meines Aufenthalts hier sein soll, dann halt lets go! Es sind nur zwei Kilometer.
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Das schöne, aber kalte steinerne Haus
Die wärmenden Leoparden
Unten am Leuchtturm ist ein kleiner Parkplatz, wo klügere Touristen ihre geliehenen Fiats abstellen, den Leuchtturm zu Fuß umrunden und wieder ins Auto steigen. Wir schauen über das Geländer in die Gischt unter uns, nur Felsen, kein Pfad über die Klippen zum Meer. Wieder im Dorf fragen wir im Laden nach Unterkunft. Sie schicken uns ins nächste Dorf, nur 5 km. Aber auf einer Achterbahn, nein danke! Ich frage Frauen an der Bushaltestelle, mit dem gleichen Ergebnis. Wir passieren die Kneipe, ein letzter Versuch, vielleicht haben sie ein Zimmer im Obergeschoss. Haben sie nicht, aber die Bedienung kennt eine Frau, die eine Ferienwohnung hat. Sie ruft bei ihr an und beschreibt uns den Weg. Ein neues Haus, direkt neben der Kirche, zwei Etagen, fünf Zimmer, eine große Küche mit Brotbackofen und zwei Bädern. Keine anderen Gäste. Wir bekommen noch zwei zusätzliche warme Kuscheldecken mit Leopardenmuster über das Bett geworfen, öffnen alle Fenster und lassen die Abendsonne herein. Die steinernen Wände sind kalt, wahrscheinlich sind wir nach dem Winter die ersten Gäste. Die Wäscheleine wird mir verschwitzen Klamotten behängt, Zeit zum Essen zu gehen. Das einzige Restaurant im Ort, wir alleine drin. Was für ein verschlafenes Nest! Aber das Restaurant ist edel, der Kellner in schwarz, das Essen schnell da. Wie fast jeden Abend kann ich nicht alles aufessen, Zdenek muss mir helfen. Auf der dunklen Straße ist es zügig und frisch, schnell unter die warmen Leoparden.
5.4., Ponta do Pargo – Ribeira Brava, 57 km, 1480 HM
Am Morgen bereitet uns die Vermieterin belegte Semmeln vor, wir kaufen Kaffee dazu. Start Richtung Osten. Um nicht die Hauptstraße zu nehmen, biegen wir nach ein paar Kilometern in die Berge. Von Plazeres sind es nur 8 km bis zum Plateau, aber das sind fast zwei Stunden Arbeit für mich. Zdenek verabschiedet sich von mir, bald sehe ich nur seinen Rücken. Es geht kontinuierlich richtig bergauf, die alte Straße ist manchmal gepflastert, schmal, kein Verkehr. Ich schnüre es von rechts nach links, um es etwas weniger steil zu haben. Du fährst die doppelte Strecke, kommentiert Zdenek meine Fahrweise. Nach einer Stunde Arbeit bin ich überm Wald, wieder in dem gelben Ginster. Es ist noch weit nach oben, aber ich bemitleide mich nicht, verdammt!
Stahlblauer Himmel und warm, Wetter wie aus dem Reisekatalog. Ich habe mich mit Faktor eingeschmiert, Zdenek lehnt es aber ab. Er wäre dann klebrig, meint er. Wen sollte es stören, außer mir gibt es hier niemanden, der an ihm kleben will. Zdenek ist vorne, ich werde absteigen und ein Stück schieben. Das Schieben habe ich nicht lange genießen können, schon saust er zu mir herunter, und: steig auf, ich mache ein Bild von dir mit dem Meer. Ich gehorche, wen auch ungern.
Auf 1.200 m Höhe biegen wir auf einer Levada ab nach Paúl. Hier gibt es keine Felsen, ein 20 cm breiter Pfad führt an der Levada entlang. Es erfordert viel Konzentration, um nicht wegzurutschen. Wir sollen zu einer Christusstatue auf die Straße kommen, Zdenek hat dort einige Gebäude und Parkplätze auf Google gefunden. Wahrscheinlich eine Kneipe, dort kaufen wir Cola. Den weiß leuchtenden Christus haben wir gefunden, aber die Häuser sind keine Kneipe, sondern ein Wasserkraftwerk. Ohne Cola Abfahrt, wieder durch viele Vegetationszonen: Heide, Ginster, Lorbeeren, Kiefer. Verbrannte Wälder hier und da. Auf 600 m beginnen Terrassenfelder und Häuser, die Küstenstraße, an die wir bald fahren, windet sich über die Klippen auf etwa 400 m Höhe. Die Dörfer liegen malerisch mit Blick aufs Meer, leider gibt es zum Wasser keinen Zugang. Und Bananen, ganze Hänge sind mit den zerzausten Bananenstauden bepflanzt. Sie werden bald reif.
Wir würden hier oben sowieso keine Unterkunft finden, wir müssen nach Ribeira Brava unten an der Küste. Die Straße hat hier schon Autobahncharakter, sie bohrt sich durch die Berge, die Tunnel wechseln sich mit den Brücken ab. Die alten malerischen Straßen über Hügel und Täler sind uns lieber. Kurz vor Ribeira jedoch hat das Wasser eine Steinbrücke mitgenommen, da müssen wir durch einen Autobahntunnel durch. Mit Fahrrad zwischen den Lkws eine nervige Sache. Wir verpesten uns drin die Lunge.
Das erste Hotel, das nicht nach vielen Sternen ausschaut (solche sind für verschwitze Radler nicht geeignet) wird genommen. Zimmer ganz OK, nur die TV-Antenne ist abgerissen, so werde ich heute ohne Chorgesänge aus einem Fußballstadion einschlafen können. ¡Oé! Die Räder ziehen wir die schmale Treppe hinauf, draußen haben sie schon ein paar Halbwüchsige beäugt. Und haben meine Bremse angefasst! Die Uferpromenade ist voller Restaurants, wir sitzen draußen unter Bäumen. Ich bestelle einen Hühnerspieß, den sie mir auf einem meterlangen Säbel bringen. Natürlich kann ich die Menge nicht aufessen. Und Zdenek hat einen Haufen Krabben und Sepien, der wird hier jeden Tag kulinarisch mutiger.
6.5., Ribeira Brava – Funchal, 37 km, 900 HM
Sogenannter Ruhetag. Entlang der Küste durch die Dörfer, malerisch. Die Straße windet sich wie eine Achterbahn rauf und runter, bei der Abfahrt grinsen uns die weißen Zinnen der Straßenbegrenzung am gegenüber liegendem Hang an. Da müssen wir wieder hoch.
C Gabo Girao
So sehen 600 m von oben aus
Gabo Girao soll der Höhepunkt des heutigen Tages werden. Es ist die höchste Klippe auf der Insel, 580 m vertikale Felswände. Eine weitere Attraktion, für die ich hier bin, sagt Zdenek. Oh, das heißt wieder bergauf radeln! Aber zum Glück nicht weit. Eine Sackgasse mit Parkplatz, gesäumt von Souvenirverkäufern. Sie bieten vor allem farbige Halsketten und die typischen gewebten Käppis mit einer langen „Antenne“. Interessanter Blick in die Tiefe auf die Wellen, die sich an den Felsen zerschlagen. Ein gläserner Fußweg soll hier über dem Abgrund errichtet werden, damit sich die Besucher so schön fürchten können. Kündigt eine farbige Tafel an.
Die Hälfte der heutigen Schicht abgearbeitet, wir haben eine Cola verdient. Vor uns sieht man schon die Bucht mit der Hauptstadt Funchal, unserem heutigen Ziel. Auf dem Weg liegt Camara de Lobos (=Wolfskammer?), ein kleiner Fischereihafen, wo gesalzene Fische auf den Ständen trocknen, von hier schon wirklich eben nach Funchal.
Funchal
In der Marina von Funchal liegt ein Kreuzfahrtschiff, die Senioren-Touristen trudeln von einem Stadtspaziergang in ihre fahrenden Waben ein. Am Ufer schaukelt eine Kopie von Santa Maria, dem Schiff von Columbus, die Ausflüge mit Touristen unternimmt. Nah am Hafen das kleine Hotel Colombo. Es sieht von außen wie ein gewöhnliches Wohnhaus aus, hat 12 Zimmer und kostet nur 35,- Euro mit Frühstück. Hier bleiben wir zwei Nächte. Die Fahrräder können an der Rezeption stehen bleiben, das Fräulein muss über sie klettern, aber sie hat nichts dagegen.
So schöne Weinhandlungen gibt es da
Zur Feier des Tages gibt es Kuchen und Cappuccino im Café, dann muss Zdenek mit mir in die Festung. Nicht ganz freiwillig, es geht natürlich bergauf, ohne Fahrrad für ihn nicht akzeptabel. Obwohl nicht weit. Im Rentnertempo schiebt er sich den Hügel hoch, erst der Anblick von einer schönen Weinhandlung erhellt seine Stirn. Von oben schöner Blick über den Burggraben auf die Dächer.
7.4., Funchal – Paso di Poiso – Funchal, 37 km, 1260 HM
Die Wettervorhersage ist nicht berauschend. Der Blick aus dem Fenster bestätigt dies, die Hügel sind in den Wolken, aber hier an der Küste scheint die Sonne und es ist warm. Hoffentlich klart es auf, denn heute haben wir ein hohes Ziel: den zweithöchsten Gipfel Madeiras, Pico Arieiro mit 1818 m (Google-Übersetzer behauptet, das bedeutet Migräne, stimmt es?). Man kann ihn mit dem Fahrrad erreichen, im Gegensatz zu dem höchsten Gipfel Pico Ruivo mit 1862 m (das soll rothaarig heißen, wenn sich das Herr Google nicht ausgedacht hat).
Die ersten Meter vom Hotel führen traditionell bergauf. Diesmal durch schmale gepflasterte Einbahnstraßen, die Autos streben nach oben und bleiben mit den Seitenspiegeln fast an uns hängen. Im Gegensatz zu Zdenek habe ich mit meinen 4km/h dafür bald keine Nerven. Absteigen und schieben. Nach einer Stunde sind wir aus dem Schlimmsten, der Verkehr wird ruhiger. Die Steigung geht bis Monte, einem Dorf auf ca. 600 m über Funchal.
Übliche Steigung auf Madeira. Kein Witz
Serpentinen durch einen Eukalyptuswald. Über unseren Köpfen sind Holzfäller am Werk, direkt an der Straße. Werden sie uns platt machen? Zdenek macht wieder ein Zeitfahren und lässt mich mit meinem Tempo zurück. Bald sind wir auf 1.000 m und der Nebel beginnt. Der Wald wird lichter, Wind arbeitet sich von den Baumkronen zur Straße. 1.200 m. Wir ziehen alles an, was wir haben. Dabei wird Zdeneks Rad von einer Böe erfasst und auf den Boden geschleudert. Noch 600 m zum Gipfel, ich schätze zwei Stunden. Der Nebel verdichtet sich, 1400 m. Der Gipfel lohnt sich heute nicht, sagt Zdenek laut, was wir beide schon lange gedacht haben. Die Abzweigung führt hinunter nach Camacha, es wird schnell gehen und es wird kalt.
Rutschige Kurven bis zum Dorf. Hier ist das Zentrum von dem Korfflechter-Handwerk. Bei schönem Wetter gibt es Souvenirstände und Touristen, wie es in den Büchern über Madeira abgebildet wird. Heute sind wir froh, bei dieser schlechten Sicht den richtigen Weg in Richtung Küste zu finden. Sobald wir unter den Wolken sind, wird es wärmer, die Sonne scheint. Die ersten Häuser beginnen auf 400 m über dem Meer. Keine Steigung mehr heute, toll.
Wie sieht es eigentlich in Camacha aus?
Zdenek ist ein Stück vor mir, er dreht plötzlich bergauf. Ich habe keine andere Wahl, muss hinterher. Was soll das? – Ich will noch durch Monte fahren. – Neeeein. OK, er fährt hoch, ich besuche in der Zeit das Jardim Orquidea, Treffpunkt in zwei Stunden im Hotel. So viele Orchideen auf einmal und so verschiedene habe ich noch nie zuvor gesehen. Sie verkaufen auch Setzlinge, aber die würden im Rucksack nicht überleben. Im Zentrum ist ein schöner Markt, sie haben hier neben Anona und verschiedenen Sorten von Maracuja auch Banana ananaz, das wie Tannenzapfen ausschaut. Auch Setzlinge von Lilien, Hortensien und anderen wilden Arten von hier. Und ich kann sie nicht kaufen!
Zdenek ist nach Monte nicht gekommen, da eine tiefe Schlucht dazwischen gelegen ist, er müsste über eine Levada hin. Dazu hat er einen Platten gehabt.
Zentrum von Funchal
8.4., Funchal – Machico, 45 km, 910 HM
Das Frühstück wird auf der Dachterrasse mit Blick auf die Stadt und den Hafen serviert. Bis wir gekommen sind, haben uns die anderen vier Gäste das Buffet weggegessen, Marmelade gibt es aber genug.
Die heutige letzte Etappe soll nicht so bergig sein, allerdings müssen wir zuerst die 600 m nach oben nach Monte. Irgendwie verlieren wir uns wieder mal in dem dichten Verkehr. Ich warte ohne Erfolg, OK, wir werden uns spätestens am Abend in unserem ersten Hotel Dom Pedro in Machico treffen. Da ich nicht wieder die starkbefahrene Straße nach oben hecheln will, wähle ich eine ruhigere. Kein Verkehr, dafür aber eine höllische Steigung. Direttissima den Berg hoch. Ich glaube nicht, dass ich schon mal eine so steile und schnurgerade Straße gesehen habe. Bald muss ich absteigen und schieben.
Endlich oben, schaue ich nach Zdenek. Inzwischen besichtige ich die Kirche und will eine örtliche Attraktion anschauen. Eine Seilbahn von Funchal wäre noch nichts Außergewöhnliches, aber sie spuckt hier Touristen aus, die nur eines wollen. Mit einem geflochtenen Korb-Schlitten auf Holzkufen den Hang nach Funchal rodeln, auf einer senkrechten Asphaltstraße. Die Schlitten werden in Camacha gefertigt, was wir gestern wegen Nebel nicht gesehen haben. Zwei Touristen im Korb, hinten auf den Kufen zwei Anschieber in Tracht. Weiße Hemden, rote Bänder, breitkrempige Hüte. Die meist betagten Touristen jauchzen vor Vergnügen.
Wie ich da so das bunte Treiben beobachte, sehe ich Zdenek in der Menge. Ein freudiges Wiedersehen.
Vereint radeln und schieben wir auf der Levada dos Tornos. Nach ca. 5 km muss man 200 m höher auf eine andere Levada „umsteigen“. Vorbei am Estadio, einem mitten im Pinienwald auf Betonpfählen aus dem Hang ragenden Fußballstadion. Zdenek hat bereits das Gefühl, dass er genug von den Levadas gesehen hat, er hat die letzte Chance auf den Pico do Arieiro zu radeln. Hier unten ist es sonnig, die Gipfel sind aber in den Wolken versteckt. Ich habe nicht die geringste Lust im Nebel gegen den Wind anzukämpfen, für Zdenek ist es jedoch ohne mich möglich. Ich werde noch die Levadas genießen und wir treffen uns um fünf im Hotel.
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Nach den Waldbränden blüht es wieder bald
Levada da Serra. Ein breiter Sandweg entlang eines nicht mehr funktionierenden Kanals, bewachsen mit einem durchgehenden Teppich aus den hier typischen blauen Lilien. Die Blüten reichen mir bis über den Kopf. Ein sonnendurchleuchteter Wald, meistens Eukalypten. Die Sonne scheint, Vögel zwitschern und zwischen den Bäumen sieht man ab und zu das herrlich blaue Meer. Der Weg ist wunderbar befahrbar, ich treffe keine Seele, es geht 20 km leicht bergab. So mühelos, da mache ich noch gerne einen Umweg. Am Dorf Santo Antonio mit seinem Golfplatz vorbei, hier kenne ich es schon, der Kreis schließt sich. Unweit vom Hotel noch schnell einen Cappuccino mit Kuchen, vor dem Hotel kommen wir mit Zdenek gleichzeitig an. Das ist ein timing! Er hat den Gipfel erreicht, oben war sogar Sonne, nur der kalte Wind hat gestört. Nach dem Essen überrede ich Zdenek zu einem kleinen Spaziergang zum Strand, damit wir mindestens einmal das Meer berühren, wenn wir es die ganze Woche von den Klippen nur angeschaut haben.
9.4., Abreise
In der Früh das beste Frühstücksbuffet der ganzen Woche. Außer Speck und Rühreier mit Bohnen probieren wir alles. Mehrmals. Dann noch Souvenirs einkaufen: Madeirawein, 2 kg Anona. Das kommt alles in die Fahrradboxen. In der Flughafenhalle entdecke ich einen kleinen Blumenstand, wo Setzlinge der wunderschönen Madeira-Lilien verkauft werden. Die müssen auch mit, Zdenek, in deinen Rucksack, Widerstand zwecklos.
Es war ein schöner Urlaub, kein Abenteuer, aber wir haben eine wunderschöne Insel kennengelernt. Von allen Seiten, auch von oben, und das bei sich oft sehr schnell wechselndem Wetter. Üppige Vegetation in unberührter Natur, nette Einheimische, gute Küche und gepflegte Straßen. Und das alles auf so einer kleinen Fläche. Wir können Madeira empfehlen, nicht nur zum Wandern entlang der Levadas, sondern auch als unentdecktes Paradies für Mountainbiker.
Helena
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