Kalte Schultern für das Kalifat: Willkommenskultur zuschanden

in voilk •  3 months ago
    Vorbei sind die Tage, in denen die Innenministerin die Frage nach der Zugehörigkeit des Islam als politischer Religion endgültig beantwortet hatte.

    Sie waren noch nicht ganz von der Straße, da hatte Deutschland, da hatte vor allem das politische Berlin der Rechtspopulisten ein neues Lieblingsthema gefunden. Die Innenministerin forderte ein "hartes Einschreiten des Staates" und kündigte unverhohlen an, selbst "hart gegen Terrorpropaganda vorgehen" zu wollen. Der Bundeskanzler griff zur allerschärfsten Waffe: Er werde "Konsequenzen" prüfen, sagte Olaf Scholz und er fand offene Ohren überall. Nicht einmal die Taz widersprach. Nein, stattdessen griff das ehemalige Zentralorgan der Willkommenskultur zum Nazivergleich.  

    Aufmarsch ohne Waffen

    Unversehens waren die mehr als tausend Menschen, die mit ihrem islamistischen Aufmarsch in Hamburg nur von Artikel 8 Grundgesetz Gebrauch gemacht hatten, der alle Deutschen das Recht gibt, "sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln", Feinde von allem, was dem Rest der Gesellschaft so viel wert ist. Ein paar Meter im Kreis Gleichgesinnter reichten, um Menschen, die in anderen Zusammenhängen als "gebürtige Deutsche", "Hamburger" oder "Deutsch-Syrer" bezeichnet würde, auszugrenzen und zur Zielscheibe von gezielt geschürtem Volkszorn zu machen.

    Dass in Hamburg, einer Stadt, die sich viel auf ihre Liberalität einbildet, 1.000 Islamisten für ihre Vorstellung einer funktionierenden Gesellschaft demonstrieren, wird als "erschreckend" gebrandmarkt. Eine Parole wie "Kalifat ist die Lösung" gilt als so "unerträglich", dass sie angeblich "eine massive Reaktion des Staates" erfordert, obwohl sie letztlich kein bisschen bizarrer ist als "Sozialismus ist die Lösung", "Europa ist die Lösung", "Jesus ist die Lösung" oder "direkte Demokratie ist die Lösung" und "One Solution - Revolution" .

    Erlaubte krude Thesen

    Das alles darf geglaubt, es darf gesagt und die eigene Überzeugung, damit goldrichtig zu liegen, darf dank der deutschen Verfassung öffentlich bekundet werden, so lange die Anhänger der jeweiligen kruden Thesen ihre Auffassungen nicht "nachhaltig und aggressiv kämpferisch" vertreten. Das ist ja gerade der Clou an der Meinungsfreiheit: Dass ihr "Schutz nicht unter einem inhaltlichen Vorbehalt steht, sondern für Meinungsinhalte aller Art und Güte gleichermaßen" (Lothar Michael) gilt. 
     
    Wer für ein Himmelreich auf Erden eintritt, darf das tun. Wer sich ein Königreich der Herzen wünscht, ein sozialistisches Paradies, die Rückkehr zur Planwirtschaft, eine  Degrowth-Gesellschaft, eine Enteignung aller Millionäre, regelmäßige Geschlechterwechsel, legale Abtreibungen oder deren verbot, Mindestlohn für alle, die Begrenzung des Privatbesitzes auf das, was jeder tragen kann, oder eine Pflicht zum regelmäßigen Haarschnitt, war bisher goldrichtig in Deutschland. Weil die Meinungsfreiheit für die Demokratie "schlechthin konstituierend", wie das Bundesverfassungsgericht immer wieder bestätigt hat, hängt der von Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz gewährte Schutz "nicht davon ab, inwieweit Meinungen einen mehr oder weniger positiven Nutzen für die Demokratie haben".

    Populisten gegen das Grundgesetz

    Eine Seite der Verfassungsordnung, gegen die Populisten nun überall plötzlich mobil machen. "Wem ein Kalifat lieber sein sollte als der Staat des Grundgesetzes, dem steht es frei auszuwandern", hat Justizminister Marco Buschmann geschrieben, denn "Wir leben in Deutschland in einem Rechtsstaat. Wer hier das Kalifat ausrufen will, gehört nicht zu unserem Land. Hier in Deutschland gilt das Grundgesetz!" Auch die Bundesinnenministerin schlägt in dieselbe Kerbe: "Wer ein Kalifat will, ist in Deutschland an der falschen Adresse", droht sie den Demonstranten mit dem üblichen "harten Vorgehen". 
     
    Die Frankfurter Rundschau flankiert die Drohung mit einer populistischen Volte: Allein "die Losung ,Kalifat ist die Losung' richtet sich gegen das Grundgesetz, sie gibt streng religiöse Regeln einer Minderheit in einer christlich geprägten Mehrheitsgesellschaft vor, deren Verfassung in Weltanschauungsfragen neutral ist". Das erfordere "eine massive Reaktion des Staates", etwa durch "die Ausweisung von Demonstranten, die nicht über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen". 

    Wie im Geheimplan

    Verfassungsfremde Fantasien von einer gesäuberten Gesellschaft aus lauter strammen Demokraten werden dort ausgebreitet, als schütze die Meinungsfreiheit nicht ausdrücklich auch "verfassungsfeindliche Ideologien und religiösen Fundamentalismus" (Johannes Masing). Um bei denen zu punkten, die dort, wo es ihnen unerträglich wird, andere Meinungen und andere Lebensweisen auszuhalten, sofort nach Verboten und Abschiebungen rufen, wird die Axt ans Prinzip der Toleranz gelegt und die Säge in den Ast gesenkt, auf dem das demokratische Gemeinwesen sitzt. 
     
    Die Frankfurter Rundschau versteigt sich am Ende sogar zur Forderung, dass eine "Aufenthaltsgenehmigung lediglich haben dürfen sollte, wer sich zu den Werten des Grundgesetzes bekennt" - eine vom EuGH längst zurückgewiesene Forderung, die direkt an den Vorstellungen anknüpft, die als zentraler Teil des "Geheimplans gegen Deutschland" zuletzt und zurecht für so viel Empörung gesorgt hatten.
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