Krieg als Wirtschaftsform – Warum der Frieden das System stört

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    Essay: Krieg als Wirtschaftsform – Warum der Frieden das System stört

    Es ist ein Denkfehler, zu glauben, dass Kriege immer durch Hass, Ideologie oder Machtgier ausgelöst werden. Diese Erklärungen sind bequem, weil sie emotional plausibel wirken. Doch sie greifen zu kurz.
    Wer die Mechanik hinter modernen Konflikten verstehen will, muss eine unangenehme Wahrheit zulassen:
    Krieg ist eine Wirtschaftsform.
    Nicht, weil Menschen ihn brauchen. Sondern weil Systeme ihn brauchen, die auf Wachstum durch Zerstörung und Kontrolle aufgebaut sind. Denn Frieden ist in einem System, das sich über Rüstung, Angst und Schulden definiert, keine Perspektive. Frieden ist darin nur ein Übergang, ein Leerlauf, ein Störfaktor.

    Wenn Waffen Wirtschaft sind, wird der Mensch zur Variablen:

    Jeder ökonomische Industriezweig braucht Nachfrage. Die Rüstungsindustrie ist hier keine Ausnahme – nur ihr Produkt darf nicht zu offensichtlich als "Verbrauchsgut" erscheinen.
    Ein LKW, der steht, bringt keinen Gewinn. Ein Panzer, der nur geputzt wird, auch nicht.
    Ein System, das auf Bereitschaft aufbaut, braucht irgendwann den Einsatz.
    Und so entsteht ein ökonomischer Zwang: Waffen müssen "gebraucht" werden, sonst wird ihre Produktion und Wartung in Frage gestellt. Das gilt nicht nur für die militärische Infrastruktur, sondern auch für politische Budgets und internationale Verträge.
    Was dabei verloren geht, ist der Mensch. Der Bürger. Der Steuerzahler. Der Souverän. Er bezahlt – mit seinem Geld, mit seiner Zustimmung, mit seinem Schweigen.

    Rüstung ist sichtbar, Bedrohung ist konstruierbar:

    Die Geschichte zeigt: Es ist einfacher, einen Feind zu schaffen als einen Frieden zu erhalten. Denn ein Frieden fordert Argumente, Vertrauen, Verzicht. Ein Feindbild dagegen ist schnell gezeichnet, medial vervielfacht und politisch nutzbar.
    Wer Waffen hat, braucht einen Grund, sie zu behalten. Und je mehr Waffen, desto größer der Rechtfertigungsdruck.
    Diese Logik folgt keinem militärischen Zwang, sondern einem haushaltstechnischen. Ein stehender Panzer erzeugt Fragen. Ein stehender Soldat erzeugt Kritik. Ein leerer Feind erzeugt Zweifel.
    Also braucht es Bedrohungen. Wandelbare, formbare, zeitlich steuerbare. Nur so lässt sich die Maschinerie am Laufen halten.

    Systeme folgen Investitionen – Investitionen folgen Beobachtung:

    Es reicht nicht, auf den sogenannten militärisch-industriellen Komplex zu zeigen. Denn dieser Komplex entsteht nicht von allein. Er entsteht durch Kapital. Und Kapital folgt der Beobachtung:
    Ein Investor fragt nicht nach Moral – er fragt nach Märkten. Wenn Sicherheitsgüter boomen, investiert er in Rüstung. Wenn Bildungswerte steigen, investiert er in Bücher.
    Es sind die Menschen selbst – durch Konsum, durch Zustimmung, durch Unterlassen –, die entscheiden, welches System sich finanziell lohnt.
    Der Kapitalmarkt ist kein Feind – aber er ist auch kein Gewissen. Er ist ein Spiegel.
    Deshalb braucht es nicht nur Kritik, sondern vor allem: die richtigen Fragen.
    • Warum fließt unser Geld in Systeme, die auf Vernichtung beruhen?
    • Warum zählt eine Panzerbestellung mehr zum BIP als ein Schulneubau?
    • Warum ist Frieden nicht investierbar – aber Zerstörung schon?
    Wenn Beobachter bewusst werden, ändern sich Märkte. Und wenn Märkte sich ändern, folgen Systeme.
    Es beginnt mit Aufmerksamkeit – und es endet mit Verantwortung.

    Die Last trägt der Nettozahler:

    Was selten ausgesprochen wird: Die Rüstungsindustrie lebt – wie jede staatlich finanzierte Branche – vom Steuerzahler. Genauer: vom Nettozahler. Von den Menschen, die mehr einzahlen als sie zurückerhalten.
    Es sind diese Bürgerinnen und Bürger, die den ganzen Apparat finanzieren: Soldaten, Versorgungssysteme, Verwaltung, internationale Einsätze, Entwicklungskosten, Waffenlieferungen. Sie tragen die Rechnung – und dürfen im Zweifel nicht einmal mitbestimmen.
    Während die einen in Talkshows über Moral und Sicherheit sprechen, arbeiten die anderen, um das System am Laufen zu halten. Sie werden dabei systematisch zur unsichtbaren Rückseite einer öffentlich zelebrierten Sicherheitskulisse.

    Gewaltmonopol und Wehrlosigkeit – ein gefährliches Paradoxon:

    Es ist kein Zufall, dass dieselben Staaten, die am meisten aufrüsten, gleichzeitig die eigene Bevölkerung entwaffnen wollen. Der Bürger soll sich nicht schützen, sondern schützen lassen. Aber von wem? Und wogegen?
    Ich bin kein Befürworter von Gewalt. Aber ich bin auch kein Befürworter eines Waffenverbots.
    Denn der größte Feind des Bürgers war in der Geschichte nie der Nachbar, sondern oft genug der Staat selbst. Und wer jemandem Böses will, wird immer einen Weg finden. Waffenverbote betreffen nur die, die sich gesetzestreu verhalten.
    Es ist beschämend, dass Millionen von Menschen in faktische Wehrlosigkeit gedrängt werden – mit dem Argument des „Gewaltmonopols“. Doch wenn dieses Monopol mit einem Rüstungsmonopol verschmilzt, wird aus Verteidigung Macht. Und aus Sicherheit Kontrolle.
    Gewaltmonopol und Rüstungsmonopol – das ist kein Gleichgewicht. Das ist ein Kreislauf.

    Frédéric Bastiat und die zerschlagene Fensterscheibe:

    Der französische Ökonom Bastiat beschrieb das Bild der eingeschlagenen Fensterscheibe, um einen Fehlschluss zu entlarven:
    "Was man sieht: Der Glaser verdient Geld. Was man nicht sieht: Der Hausherr hätte mit dem Geld etwas Wertvolleres schaffen können."
    Genau das ist die Rüstungsausgabe unserer Zeit:
    • Sie taucht im Bruttoinlandsprodukt (BIP) als "Wachstum" auf.
    • Sie rechtfertigt Schulden mit dem Vorwand von Sicherheit.
    • Sie simuliert wirtschaftliche Aktivität.
    Aber:
    Was nützt ein wachsendes BIP, wenn am Ende die Kartoffel auf dem Teller fehlt?
    Die reale Lebensqualität des Einzelnen wird nicht durch Panzerkolonnen gesichert, sondern durch Infrastruktur, Bildung, medizinische Versorgung und Versorgungssicherheit.

    Frieden ist kein Zustand – Frieden ist eine Entscheidung:

    Und diese Entscheidung muss wirtschaftlich gewollt, politisch getragen und sprachlich verteidigt werden. Solange wir die Sprache überlassen – den Medien, den Ministerien, den Interessen –, solange wird der Frieden immer wie eine Utopie erscheinen, obwohl er das Übernächste ist.
    Wir müssen nicht erklären, warum wir Frieden wollen. Die, die Krieg vorbereiten, müssen erklären, warum sie es dürfen.
    Dieses Essay ist kein Aufruf zur Wehrlosigkeit. Es ist ein Aufruf zur ökonomischen Ehrlichkeit und zur ethischen Klarheit.
    Denn der Krieg beginnt nicht mit einer Waffe – sondern mit einer Rechtfertigung. Und manchmal ist die größte Waffe ein Haushaltstitel.

    Euer

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