Das Wort "Wir" bestimmt den Ton im CDU-Programm. Es kommt 686 Mal vor - achtmal auf jeder Seite. |
Für die Kommunisten war es das Kollektiv. Kapitalisten, die sich wünschen, dass ihre Angestellten mehr arbeiten, als ihnen bezahlt wird, nennen es "Team". Die neue Linke dagegen hat es aktuell als "Gemeinschaft" im Wahlprogramm: Ein Mittel für und gegen alles.
Gemeinschaft ist Liebe, Glück und Fröhlichkeit, Wärme, Toleranz und Frieden, einer für alle, alle für die ehemalige SED, die ihren letzten Auftritt auf der großen Bühne mit der Leidenschaft eines Ackergauls in der letzten Schicht vor dem Abdecker angeht.
Das Wir des großen Ganzen
Wir aus fünf Buchstaben
ausgenommen die, die es hier im Munde führen. Wenn die CDU sagt "Wir", dann meint sie eigentlich ihr, denn unmittelbar danach folgt immer ein Müssen, Wollen oder Sollen, das selbst die zum Kampf entschlossene Partei des Münsterländers nicht allein hinbekommt. "Wir" heißt also ihr müsst, ihr
Bürger, da draußen. Wir hier drinnen, wir haben ja schon herausbekommen, was wir müssen. Also, was ihr tun sollt.
Intellektuell ein Spektakel, das den Bürgerinnen und Bürgern eine klare Alternative bietet. Die andere ehemalige Volkspartei SPD hatte vor der Bundestagswahl 2021 eine Wortwolke produziert, die viel von dem vorwegnahm, was dann folgen sollte. "Deutschland muss wollen Zeit Arbeit Gesellschaft", das waren die zentralen Botschaften, hinter denen das Wir zurückstehen musste. Jetzt demonstrierten die Konservativen, dass sie keine Angst haben, einer Gesellschaft, die des ewigen Individualismus überdrüssig ist, einen Spiegel vorzuhalten und ihm zu sagen: "Wir verbinden die Freiheit des Einzelnen mit seiner Verantwortung für die Gemeinschaft."
Gegen das laue Miteinander
Das geht weit über das laue "Miteinander" hinaus, mit dem SPD-Chefideologe Kevin Kühnert Sätze wie "konsequent zu Ende gedacht, sollte jeder maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt" und alles, "was unser Leben bestimmt, sollte in der Hand der Gesellschaft sein" gesagt hatte. Bei der CDU gibt 126-mal "uns", 124-mal den und die "Menschen", 91-mal "Deutschland", 74-mal "Land" und 70-mal "Leben". Ein Grundsatzprogramm des Grundsätzlichen, das "Freiheit" (61), "Staat" (58), "Gesellschaft" und "Sicherheit" (je 54) auf Augenhöhe denkt. Wie viel Schweiß hat die Programmkommission in monatelangen Diskussionen, in Nachtsitzungen mit viel Pizza und Kaffee und beim Brüten über Vorentwürfen vergossen über diesen schicksalhaften 82 Seiten?
Und wie viele "Menschen" (124-mal) haben es gelesen? Wie viele aber nicht? "Wir wählen die Freiheit!", ruft es gleich am Anfang. "Für ein freies und sicheres Land!", unmittelbar danach. "Wir wollen die Sicherheit in Europa und den Binnenmarkt stärken." Und: "Wir wollen eine Gesellschaft, die zusammenhält." Wir-tschaftpolitik der anderen Art, in der "Wir" auch "für nachhaltiges wirtschaftliches
Wachstum" stehen. Das neue Grundsatzprogramm heißt "Zukunft gemeinsam gewinnen". "Gewinnen" aber kommt insgesamt nur dreimal vor.